25. November 2024

75 Jahre Ende des Krieges – Als die Amerikaner in Mieming ankamen

Soldaten der 44. US-Infanterie-Division, die im Außerfern Tiroler Gebiet betreten haben, stoßen am 29. April 1945 weiter nach Süden vor. (Aufnahme: U.S. Army Photograph) TLA: Sammlung Lichtbilder
Soldaten der 44. US-Infanterie-Division, die im Außerfern Tiroler Gebiet betreten haben, stoßen am 29. April 1945 weiter nach Süden vor. (Aufnahme: U.S. Army Photograph) TLA: Sammlung Lichtbilder
Vor 75 Jahren, am 3. Mai 1945 betraten amerikanische Soldaten das Gemeindegebiet von Mieming. Über den Fernpass und den Marienberg waren Infanterieverbände am 2. Mai in Nassereith angekommen. Am 3. Mai betraten sie - von Nassereith und über den Marienberg kommend - das Gemeindegebiet von Mieming. Zwei Erlebnisberichte aus zwei Seiten.

Hier ein Situationsbericht im Original von Ernst Falkner, aufgenommen in das Buch „Mieming. Die Gemeinde am Mieminger Berg“ von Karl Miller-Aichholz.

Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges
(Nach einem Erlebnisbericht von LH Ök.-Rat Wallnöfer+)
 

2.Mai 1945

Wohl besteht noch telefonische Verbindung mit Nassereith und Telfs, doch die Nachrichten, die der „Geheimsender“ verbreitet, sind aufrüttelnd. Hitler ist tot – diese Nachricht geht von Mund zu Mund und raubt auch dem letzte alten Kämpfer den Mut und das Vertrauen und Hoffen auf Wunderwaffen und den Endsieg. Wer von den Soldaten irgendwie abhauen kann, geht „stiften“. 

3. Mai 1945

Von Telfs und Nassereith kommen Nachrichten, daß Amerikaner in beiden Orten stehen. Da rechnet man auch in Barwies stündlich mit dem Eintreffen der sogenannten Befreier.Der Bürgermeister Anton Thaler von Obermieming, Postwirt, verfasst eine Erklärung, die von einer Abordnung den Amis übergeben werden sollte, damit das Dorf und die ganze Gemeinde von den Siegern geschont werden möge.

Die Erklärung hatte folgenden Wortlaut:

»Wir erklären im Namen der Gemeinde Mieming, dass hier kein Widerstand vorgefunden werden wird. Es liegt lediglich eine Truppe in See, die zur Übergabe bereit ist. Die Waffen, die in der Gemeinde waren, wurden abgeliefert. Wir bitten um schonende Behandlung der Gemeinde!
Anton Thaler, Eduard Wallnöfer, Dr. Hugo Neugebauer. 

Um 16 Uhr kommt die Meldung, daß die Amerikaner in Obsteig sind und sich gegen Barwies vorschieben. Rasch laufen beherzte Männer durchs Dorf und fordern, daß weiße Fahnen aus den Häusern gehängt werden, um eine Beschießung des Ortes zu verhindern. Bald weht aus jedem Haus an einem Ast ein Leintuch.

Der Bürgermeister Anton Thaler, Eduard Wallnöfer und Dr. Neugebauer, der eine weiße Fahne trägt, gehen nun den Amerikanern in Richtung Obsteig entgegen. Von Fronhausen hört man vereinzelte Gewehrschüsse. Wie die Gemeindeabordnung nach Krebsbach kommt, sitzen da beim Thaler (Jud) auf der Hausbank einige deutsche Soldaten, sie wissen nicht mehr ein noch aus. Da kommen auch schon, mit angeschlagenem Gewehr und in Schützen- reihe, die ersten Amis um die Straßenkurve. Die deutschen Soldaten heben die Hände und gehen ihnen entgegen in die Gefangenschaft. Von der Abord- nung nach dem Kommandanten befragt, geben die erregten fremden Soldaten zu verstehen, daß dieser in der nächsten Ortschaft (Fronhausen) zu finden sei. Ungehindert konnte die Abordnung weitergehen und traf in Fronhausen auf den ersten amerikanischen Offizier, einen Obersten. Dr. Neugebauer, der die englische Sprache beherrscht, übergibt die Erklärung und versucht mit dem Offizier zu sprechen, doch der ist kurz angebunden und sagt: »Ist schon gutt, komm in die Gemeindekanzlei!« Es geht zurück in die Kanzlei nach Barwies. Auf Befehl des Amerikaners wird Anton Thaler als Bürgermeister abgesetzt und Sonnweber von Obermieming wird als Bürgermeister eingesetzt. Der Amerikaner will sofort den Troß von See herauf haben, und Kaspar Reheis, Barwies, muss mit dem Motorrad nach See, um die Truppe zu holen. Während nun der deutsche Offizier seine Truppe übergibt, plündern die Amis die Gefangenen aus, besonders haben sie es auf Uhren abgesehen, die sofort in ihren weiten Taschen verschwinden. Nun ziehen Fußtruppen in Marschkolonnen ins Dorf, sie lagern und rasten kurze Zeit auf dem Dorfplatz in Barwies und ziehen dann weiter gegen Obermieming. Die Bevölkerung atmet auf und meint, der Spuk sei schon vorbei. Es sollte aber noch dicker kommen. Gegen Abend rasselten motorisierte Verbände heran und überschwemmten mit ihren Panzern und Fahrzeugen die Straße und den Dorfplatz. 

4. Mai 1945

Ein amerikanischer Hauptmann geht von Haus zu Haus, malt Buchstaben und Ziffern an die Haustüren. Hintennach kommen Soldaten und bedeuten den verdutzten Leuten, daß in 20 Minuten das Haus geräumt zu sein hat. Fast alle Bewohner, besonders die, deren Häuser an der Straße liegen, werden aus ihren Wohnungen verjagt, um Platz für die Einquartie- rung der fremden Truppen zu schaffen. Fast 6 Wochen durften die Leute nicht mehr in ihre eigenen Häuser. Einzig, um das Vieh zu füttern, konnten bestimmte Leute aus der Familie Stadel und Stall betreten.
Ein großer Teil der »Ausquartierten« zog mit einem Bündel Bettzeug und Eßwaren hinauf in die Baracken des ehemaligen Arbeitsdienstlagers, andere wohnten in Schupfen und Stadeln. In den Wohnungen hausten und plünderten indessen die »Sieger«. Sie stöberten alle Winkel und alle Verstecke auf, soffen und fraßen und steckten in ihre weiten Taschen, was ihnen gefiel. Es war eine üble Zeit. 

Aufgeschrieben nach einem Erlebnisbericht von LH Ök.-Rat Eduard Wallnöfer von E. Falkner.
Quelle: „Mieming. Die Gemeinde am Miemingerberg“ von Karl Miller-Aichholz im Verlag der Gemeinde Mieming 1985

Auf der anderen Seite schildert Richard L. Sanner – er war Medic, also Sanitäter in der US Armee – und hat seine Kriegsmemoiren in einem Buch zusammengefasst.
Hier ein Auszug samt Übersetzung:

2. May 1945 – Wednesday – Austria. Early in the morning we continued south, but were pinned down by self-propelled guns, 88s, and panzerfausts, literally „tank fist“ (armor-piercing, antitank, hand-launched weapons something like our bazookas). We tried to take shelter in what buildings there were, rurnning from one partially destroyed building to another, in the pitch dark. It was hell. There had been several casualties to care for. Fina11y we were able to continue slowly southeast to our assigned destinations. I had been hit slightly, through my trousers and into my left leg, by fragments of a panzerfaust.They weren’t enough to bother much. Later, when I had time, I cleaned the small wounds, dug out a couple of metal fragments and some dirt, and put some sulfa powder and bandages on them. Since we medics were instructed to write up all injuries, no matter how insignificant they seemed, I dutifully recorded mine on a medical tag and eventually turned it in.

2. Mai 1945 – Mittwoch – Österreich. Am frühen Morgen fuhren wir weiter nach Süden, wurden aber von beweglicher Artillerie, 88er und Panzerfäuste, wörtlich „Panzerfaust“ (panzerbrechende Abwehrwaffen von Hand abgeschossen, unsere Bazookas), aufgehalten. Wir haben versucht, Schutz zu suchen, indem wir in der Dunkelheit von einem teilweise zerstörten Gebäude zu einem anderen rannten. Es war die Hölle.
Es gab mehrere Opfer, um die man sich kümmern musste. Endlich konnten wir langsam weiterziehen, Richtung Südosten zu unseren zugewiesenen Zielen. Ich war leicht getroffen worden, durch meine Hose und in mein linkes Bein, durch Fragmente einer Panzerfaust. Sie hatte nicht viel Zerstörungskraft.
Später, als ich Zeit hatte, putzte die kleinen Wunden, entfernte ein paar Metallteile, entfernte etwas Schmutz und legte etwas Sulfapulver und Bandagen darauf. Seit wir Mediziner angewiesen wurden, alle Verletzungen aufzuschreiben, egal wie unbedeutend sie schienen, benannte ich pflichtbewusst meine Verletzung und schrieb sie auf.(fa)

Die Bilder sind wahre Schätze. Gut zu erkennen „Schanzen Sage“ im Nachkriegszustand hinter dem Ortsschild „Barwies“.

Fotos: Richard L. Sanner, Combat Medic Memoirs, Rennas Productions

 

 

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Andreas Fischer

Persönliche Interessen: Musik, Geschichten schreiben oder lesen. Ich spiele noch aktiv mit vielen netten MitmusikerInnen zuhause und öffentlich. Herausgeber des Blogs Zeitsprünge Mieming.
eMail: andreas.fischer@mieming.online
https://www.facebook.com/ZeitspruengeMieming/

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