Nach der Schule ging es – das Ziel vor Augen – auf geradem Wege weiter bei der Tiroler Tageszeitung, Radio Tirol und Ö3. Vor seinem Dienstbeginn in Paris haben wir uns mit Christophe Kohl im Café Maurer auf ein Gespräch getroffen.
Uns gegenüber sitzt ein unaufgeregter, junger und sympathischer Mann, der so oft es geht, seine Eltern und Freunde in Mieming besucht. „Ich habe immer ein Stück Mieming dabei“, sagt der Mensch, der seine beruflichen Stationen und Begegnungen auf seiner Facebook-Seite in Stichworten und sehr verkürzt skizziert: „Hollywood, New York, London, Cancun, Paris, Berlin – Pitt, Jolie, Spielberg, Jackman, Clooney.“
Immer wenn sich der ORF in den vergangenen Jahren von der Oscar-Verleihung aus Los Angeles meldete, war dort auch Christophe Kohl hinter den Kulissen mit seinem Mikrofon aktiv. Dann konnte man ihn u.a. schon ab 5 Uhr morgens im Ö3-Wecker hören.
„Diese Faszination, Geschichten zu erzählen, gab es in meinem Leben schon immer“, erzählt Christophe und blickt zurück.
„Mit zwei Freunden habe ich für die damalige Volksschule in Mieming die Schülerzeitung »Kids4Kids« gemacht. Mit kleinen Interviews, Reportagen, Rätseln. Die meisten Zeitungen habe ich daheim gesammelt. Ich erinnere mich besonders an Beiträge über die Armut in Indien. Wir haben Julia Schindler interviewt, die für Straßenkinder in Kalkutta ein Hilfsprojekt auf die Beine stellte. Das war uns eine Sonderausgabe wert. Geholfen haben uns dabei meine Taufpatin Burgi (Widauer Burgi), die Motorrad-Wachters und Julia Schindler (Tochter von Christine Schindler). Unsere Zeitung haben wir dann verkauft und Spenden für das Hilfsprojekt gesammelt. Später habe ich dann auch den ein oder anderen Artikel für die Mieminger Dorfzeitung geschrieben.“
Christophe sagt „Die Berufung für den Journalisten-Beruf habe ich schon sehr früh gefühlt. Ganz klar war mir das schon mit 13, 14 Jahren. Wenn mich jemand fragte, was ich mal werden möchte, habe ich immer gesagt Journalist. Ich wollte ursprünglich Zeitungsjournalist werden. Dann gab es eine Ausschreibung „Talente Tirol“ gesucht. Wer einen ordentlichen Notendurchschnitt hatte, konnte sich bewerben und durfte für eine kurze Ausbildung ein Unternehmen kennen lernen. So kam ich zu einem Praktikum bei der Tiroler Tageszeitung. Unsere Aufgabe war es, eine Beilage zu produzieren. Damals wurde in Innsbruck kontrovers über Graffiti im öffentlichen Raum diskutiert. Das war eines unserer Themen für die 4-seitige Beilage. Andere beschäftigten sich in diesem Zusammenhang mit Jugendthemen im Allgemeinen. Wir lernten, wie man Interviews macht oder eine Zeitung layoutet. Mein Praktikum war kurz, aber spannend.“
Christophe Kohl hätte auch als Leistungssportler beste Chancen gehabt. Er war u.a. 2-facher Österreichischer Jugendmeister im Schwimmen. „Mit 14 hatte ich deshalb schon eine schwere Entscheidung zu fällen. Werde ich mal Sportler oder Journalist?“ – Geholfen haben die Gespräche mit den Eltern. Bernadette und Oskar Kohl sagten: „Das ist gut, das macht dir Spaß, aber konzentriere dich auf deine intellektuellen Fähigkeiten.“
So war der Weg für den jungen Christophe vorgezeichnet. Matura, Zivildienst, Studium an der FH Wien am Institut für Journalismus und Medienmanagement, Praktikum bei ORF Tirol, kleinere Jobs im medialen Umfeld – wie Backstage-Guide beim ORF in Wien. „Da habe ich Leuten die Studios gezeigt und Tricks erklärt. Zum Beispiel was eine »Blue Box« ist.
Radiojournalistisch war das Praktikum beim ORF in Innsbruck der Einstieg in den Journalismus. „Zu der Zeit waren gerade Landtagswahlen. Das war sehr lehrreich, weil ich mich damals noch sehr für den politischen Journalismus interessierte.“
Die Einflüsse während des Studiums in Wien spielten dabei eine bedeutende Rolle. Die Fachhochschule für Journalismus und Medienmanagement war noch im Aufbau, personell aber schon gut aufgestellt.
„Wir waren der 3. Jahrgang und kamen schon in Kontakt mit journalistischen Größen wie Armin Wolf (ORF Fernsehen) und der Grand Dame der österreichischen Innenpolitik, Anneliese Rohrer (Die Presse). Unter den Lehrenden war u.a. auch Fritz Dittlbacher vom ORF Fernsehen, zuständig für Innenpoliik (heute Chefredakteur ORF Fernsehen). Von allen konnten wir viel lernen. Neben Theorie viel Praxis. – Hintergrundwissen zur Österreichischen Verfassung, der EU, Medien- und Urheberrecht. Parallel zur Fachausbildung gab es zahlreiche Praktika. Da konnte ich lernen wie ein Radio-Beitrag geplant und gestaltet wird oder was ein Radio-Feature ist?“
Christophe musste später seine Pläne, politischer Journalist zu werden, vorerst auf Eis legen. Da gab es die Chance zum Einstieg bei Ö3 und „damals lief gerade im ORF Fernsehen die 2. oder 3. Staffel der Castingshow „Starmania“. Siegerin war Nadine Beiler aus Tirol, die sich im Frühjahr 2011 für den Eurovision Song-Contest qualifizieren konnte. „Ich habe der Ö3-Redaktion angeboten, mit Nadine Beiler in Tirol ein Interview zu machen. – Ja, mach‘, sagten die. Organisieren musste ich mich selbst. Gebraucht wurden u.a. ein Aufnahmegerät und Schnittplatz. Alles ging gut und so kam ich zu Ö3.“
Wenn man Christophe beim Erzählen zuhört, entsteht der Eindruck, dem ist ja so ziemlich alles zugeflogen. Ohne große Anstrengung. Allerdings stecken dahinter sehr viel Engagement und Diszipliin. Nicht zuletzt die Bereitschaft zu lernen und flexibel in der Wahl des Arbeitsortes zu sein. Die Weichen stellten die Eltern, sagt er. Seine guten Umgangsformen haben ihm sehr schnell viele Türen geöffnet.
„Man geht dort hin und grüßt die Menschen.“
Christophe Kohl war u.a. auch beim Frühdienst, im Ö3-Wecker, „Chef vom Dienst“. Verantwortlich für die Sendung, vor und hinter den Kulissen. „Was geht auf Sendung, welche Beiträge, welche Mischung wollen wir haben?“
Wir sind neugierig. Interessieren uns für den Ö3-Alltag. Welche Themen haben da den höchsten Stellenwert?
„Im Prinzip muss du Allrounder sein. Unterhaltungsgeschichten mit prominentem Inhalt haben beim Ö3-Publikum einen hohen Stellenwert. Nicht unbedingt in den Redaktionen. Ich habe zwar auch von den letzten Nationalratswahlen berichtet, war bei den Elefantenrunden, aber in der Häufigkeit hatte ich überwiegend mit Unterhaltung zu tun. So wollte ich das.“ Und dann gebe es auch immer die berühmten Zufälle, die auf einen Lebensweg in diese oder jene Richtung leiten. So war das auch bei Christophe Kohl und Ö3.
„Nachdem ich ein halbes Jahr bei Ö3 war, hörte unsere damalige Hollywood-Korrespondentin auf. Da war ein Vakuum und ich bin damals nach München geschickt worden. Zum Interview mit den Stars des High-School-Musicals. Stand damals bei den Teenies hoch im Kurs. Ich habe meinen Job gemacht. Ein paar Interviews und dabei auch andere Journalisten getroffen. Eine spannende Welt offenbart sich dir da. Du fliegst in der Welt herum und triffst bekannte Leute. Du darfst nach London, Paris, New York – nach Los Angeles.“
Sein erstes Hollywood-Interview hatte Christophe Kohl mit dem Teenie-Schwarm Zac Efron aus „High School Musical“.
Dann kam ein starkes Jahr für den österreichischen Film. „Christoph Waltz war für seine Rolle in »Inglorious Basterds« für den Oscar nominiert, Michael Haneke für »Das Weiße Band«. So begann auch meine persönliche Oscar-Karriere.“
Im Freundeskreis wird Christophe nicht selten nach seinen Eindrücken im Umgang mit den Stars und Sternchen gefragt.
„Die wirklich Großen, sind nicht umsonst Große“, antwortet er auf solche und ähnliche Fragen. „Du triffst Meryl Streep. Die kommt rein und hat Ausstrahlung. Persönlichkeit. Dir fallen ihre Erfolge ein. »Jenseits von Afrika«, »Der Teufel trägt Prada« oder »Die eiserne Lady«. Dann spricht sie dich an. Sagt was Intelligentes, was Lustiges, was Spannendes. Und gewinnt. Oder Steven Spielberg, der in deiner Vorstellung überlebensgroß ist. Jedenfalls in meiner Vorstellung. Der hat all die großen Filme gemacht, die ich als Kind gesehen habe. »Jurassic Park«, »E.T. – Der Außerirdische«, »Schindlers Liste« und mehr. Steven Spielberg bin ich in Paris begegnet. Mit mir waren noch acht andere Kolleginnen und Kollegen am Tisch. Aus Südafrika, Indien, China. Ich hatte exakt 15 Minuten. Du sitzt da und redest mit ihm und er ist wie der Onkel von nebenan. Unkompliziert und freundlich. Wenn Du mit Blick auf die Leistung der großen Hollywood-Stars siehst, wie die geerdet sind, ist das beeindruckend.“
Natürlich gibt es in diesem Umfeld auch das Gegenteil, sagt Christophe Kohl. „Junge Stars sind oft schwierig. Die werden zu schnell berühmt. Viele von denen haben keine anderen Ziele. Sie wollen nur berühmt werden und das möglichst schnell. Die sind dann (unter Anführungszeichen) wirklich nur ein Produkt. Geben im Interview gelernte Antworten und folgen einer einstudierten Marketing-Maschinerie.“
Und – gibt es bei all dem Tun auch einen Lerneffekt? – „Du lernst etwas über Menschen, machst Erfahrungen. Die bringen dich weiter. Hollywood ist aber auch Glitzer, Glamour – viel Schein.“
Von Hollywood nach Paris? Zu einem Teil deiner sprachlichen Wurzeln?
„Das hilft. Selbstverständlich. Dir bleibt ja keine Zeit. Du kommst dort hin und machst Interviews. Deine Kameraleute verstehen meist nur französisch. Für einen Sprachkurs ist es dann zu spät. Wir müssen die Stimmung im Land beschreiben, die Auswirkungen der Politik auf die Gesellschaft. Durch den französischen Teil meiner Familie kann ich mich einigermaßen gut in die französische Seele hineindenken.“
Wir leben in politisch schwierigen Zeiten. Kriege, Auseinandersetzungen, Flüchtlinge – all das ist eine scheinbar unlösbare Herausforderung für Europa. Auch für Auslandskorrespondenten?
„Ich bin neugierig auf meine neue Arbeit und offen für jede Herausforderung. Auch in Paris gilt der journalistische Grundsatz, was wichtig ist, hat Programmrelevanz. In meinem konkreten Fall: Was in Frankreich passiert und für Österreich von Interesse sein könnte. Meine Chefin im ORF Studio in Paris ist Eva Twaroch. Sie war sowohl für die französische Redaktion von „Radio Österreich international“ als auch für die Kulturredaktion und die Fernseh-Außenpolitik journalistisch tätig. Parallel dazu auch für französische Medien. – Ich bin dort, um Eva Twaroch zu unterstützen. Zu berichten und um viel zu lernen. Paris ist aber auch eine weitere Etappe meiner beruflichen Pläne. Ich war vor kurzem dort, um das Studio und sein Team kennen zu lernen und um mich zu akklimatisieren.“
Christophe Kohl will so oft es geht nach Mieming kommen. Auch wenn er jetzt dafür etwas weniger Zeit haben dürfte als bisher. Die Eltern, die Familie besuchen, am Stöttlbach zu sitzen – seinem Lieblingsort daheim – oder die Freunde der Theatergruppe zu besuchen, die gerade aktuell die Komödie „Der nackte Wahnsinn“ aufführen. Früher war Christophe Kohl auch bei den Theaterleuten und spielte in zwei Stücken mit. Die Regie hatte jedes Mal Cilli Schaub.
„Ich freue mich auch sehr auf Frankreich, meine 2. Heimat. Auf den französischen Teil meiner Familie. So weit weg von Mieming bin ich nicht. Es gibt Flugzeuge, Züge, das Auto, Skype und Telefon – man wird nicht ganz auf mich verzichten müssen.“
Christophe Kohl berichtet inzwischen fast täglich aus Frankreich. Zu Halloween hat der junge ORF-Auslandskorrespondent für seine alte Ö3-Redaktion in den legendären Pariser Katakomben eine Nacht mit 6 Millionen Skeletten verbracht. Für das Hitradio Ö3 zitierte er Mitte Oktober an diesem geschichtsträchtigen Ort einen österreichischen Touristen, der meinte: „Dass ist mir hier nicht gruselig genug. Hier liegen ja nur Knochen herum.“
Wir bedanken uns bei Christophe für das Gespräch und wünschen ihm alles erdenklich Gute.
Fotos: Knut Kuckel
Weblinks: