Wie leichtfüßig die Sportlerin an mir vorbei gleitet. Und dabei kann sie noch sprechen, ohne nach Luft schnappen zu müssen. Die Alpinistin kommt von der Oberen Stöttlbrücke. Ein Schild warnt vor Lawinenabgängen. In Gedanken verneige ich mich respektvoll vor ihr und denke „solch eine Kondition zu haben, ist beneidenswert“. Während meine körperlichen Kräfte nachlassen.
Die freundliche Läuferin schaut in einer Höhe von über 1300 Meter über See so aus, als wäre sie gerade erst bei Null gestartet. Das ist in diesem noch jungen Frühling meine zweite Stöttlbachwanderung und die Fortsetzung meiner Erzählung über den noch jungen Bergfrühling am Bach der Bäche in Mieming.
„Steinblumen am Stöttlbach – Kleiner Flugverkehr in Bodennähe“, so möchte ich meinen Beitrag überschreiben. Mir begegnen in Bodennähe gelbe und andere Falter, Hummeln, Spinnen, kleine und große Flieger. Ich entscheide mich dann aber um. Denke mir, das ist zu sperrig. Der Titel sollte einfach sein. „Kunst am Wildbach oder so…“.
„Von nichts kommt nichts“, denke ich und fasse den festen Entschluss, mich mittelfristig mehr anzustrengen. In unserem kleinen Bachgespräch an der Obereren Boasligbrücke erzählt mir dann der Karl, „diese Kondition ist genetischen Ursprungs.“ Und er meint „wir Bergmenschen starten unsere Bergläufer-Karriere schon im Kindesalter. Sonst wird das nichts.“
Das leuchtet mir ein. Der Karl steigt auf sein Bergrad. Er lächelt und ruft noch „Pfiat di!“
Links und rechts vom Bacherverlauf entdecke ich natürlich entstandene Kunstwerke auf Zeit. Aufgetürmtes Treibholz, scheinbar mineralisierte Baumstämme oder Baumwurzeln mit unterschiedlichen Zeichnungen auf beiden Seiten, eine vom Sturzwasser weggespülte Uferbestigungsmauer und mehr.
Wenn man sich von der Unteren Stöttlbachbrücke eine nach Westen ausgerichtete gerade Linie vorstellt, hat die Natur eine kleines Paradies geschaffen.
Vor rund einem Jahr (im Heumonat Juli) war ich oberhalb des „wilden Rastplatzes“ am Stöttlbach auf der Suche nach dem „Flüssigen Gold im Stöttlbach“. Meine Gedanken spiegeln die Bilder. Sie heben mich auf die Höhe von über 2030 Meter über See zu einem beeindruckenden Stein. Irgendwer hat mit roter Farbe „St.Törl“ darauf gepinselt.
„Höher ist hier nur noch der “Hochplattig” mit 2768 Metern. Dort möchte ich heute noch hin“, habe ich damals geschrieben. Und mir fällt noch ein, dass ich ungefähr an der Stelle, an der ich gerade stehe, im vergangenen Jahr rücklings in den Bach gefallen war.
„Damit hat Dich der Stöttlbach angenommen“, erzählte mir dazu der Fischer Andreas. „Der nimmt nämlich nicht jeden auf.“ So schlimm war es heute nicht. Nur war der Rucksack größer, die Ausrüstung technischer und meine Hose nahm das Wasser auf, wie der „Schweizer Wassersack“.
Zwei ältere Bergler sehen mich danach und verpacken ihren Kommentar in eine knappe Frage „Nasse Erlebnisse gehabt??“
Das auch. Ja. Die Kamera im Wasser, mit ihm ein paar andere Objektive und mehr. Alles ist heil geblieben. An der Oberen Boasligbrücke lasse ich Wasser ab. Trockenen Fußes mache ich noch ein paar Bilder. Im letzten Jahr wurde des Geländer erneuert und der Übergang saniert.
Ein Jahr danach sieht alles schon wieder sehr „gewachsen“ aus. Nur das Wasser ist neu. Das ist es immer. Unser Trinkwasser in Obermieming.
„So wie der Mieminger Ferner, speisen alle anderen Schneefelder, zwischen Wank und Griesspitzen den Stöttlbach mit ihrem Schmelzwasser. Lawinenabgänge im Frühjahr füttern die Schneefelder. Das Quellwasser des Stöttbachs und der Judenklamm, versorgen seit Jahrhunderten Mensch und Vieh mit frischem Wasser.“ Aus: Flüssiges Gold – Spurensuche im Quellgebiet des Stöttlbachs, 16. Juli 2014, Mieming.online
Man schämt sich ein wenig, bei dem Gedanken, dass es viele Menschen auf dieser Welt gibt, die für ein paar Liter Wasser täglich meilenweit durch ihr trockenes Land gehen.
Ich verneige mich vor dem Marien-Marterl an der Oberen Boasligbrücke. Jetzt ist Zeit, um mal wieder in stiller Andacht danke zu sagen. Mein nächster Weg führt zum „Gachen Blick“. Was ich dabei sehe und erlebe schreibe ich in einer anderen Geschichte.
Fotos: Knut Kuckel