22. November 2024
Die Schafbauern der Agrargemeinschaft Seebenalpe (Untermieming) haben die Schafschoad 2013 zugunsten des großen Marienberg-Almfestes einen Tag vorverlegt. Wie ihre Kollegen von der Feldernalpe, die ihr Vieh ebenfalls am Samstag, dem 14. September, almabwärts begleiteten.

Eine tiefe Verneigung der Almbauern, vor der scheidenden Hirtenfamilie Herbert und Annemarie Schuchter, die nach 40 Dienstjahren auf dem Marienberg in den Ruhestand verabschiedet werden. „Das haben wir gerne gemacht“, sagte Seeben-Alm-Hirt Gerhard Wiggins im Namen aller Hirten in Mieming. „Das Wetter ließ uns ohnehin keine Wahl. Der Wintereinbruch kam heuer sehr früh“. Hermann Neuner hat das seltene Bild am Seebensee mit der Kamera festgehalten. 

Die Schafschoad ist eine stramme Leistung aller Beteiligter. Für die Schafe, ihre Hirten und besonders für die Collies, die von ihrer Körperstatur her die Kleinsten sind. Während der über achtstündigen Tour, vom Hochgebirge auf das Mieminger Plateau, arbeiten sie diszipliniert und konzentriert. Jessy, Lord, Fly, Bessy und Senta liegen nach ihrer Ankunft auf der Sammelkoppel beim Stiegl-Wirt in Untermieming im schon feuchten Gras. Erkennbar erschöpft.

Kurz nachdem das Geläut im Kirchturm verstummte. Die Turm-Uhr der Pfarrkirche zeigte 19-Uhr-05 an als ca. 530 Tiroler Bergschafe den Kirchplatz passierten. Angeführt von ihrem Hirten Gerhard Wiggens mit seinen Beihirten Martin Maurer, Martin Krug, Herbert Ennemoser mit Sohn Noah, Gerald Föger mit Sohn Noah, Dietmar Oberdanner, Mathias Dengg (mit einem Freund) und Hermann Neuner. Mit dem „Catering“-Auto fuhr hinterher, wo es halt ging, meist auf beschwerlichen Wegen, Werner Neuner. Eine Ausreißergruppe ihrer Schafe fühlte sich gleich zu Hause. Die hungrigen Tiere zupften gierig am welken Gras des Kirchplatzls.

Multikulti-Schafherde

Von der Mauer herab schauten sie zu ihrer Herde, die den Hirten ins Ziel folgte. Der überwiegende Teil, der „Multikulti-Schafherde“, war zuerst an der Stiegl-Koppel. Hatte es geschafft. Weiße Tiroler Bergschafe und jede Menge Tscheggen. Der Stiegl-Toni reservierte ihnen zur Begrüßung „grünes Futter“ in Hülle und Fülle. Mensch und Tier machten angespannte Gesichter. Die Tour war kräftezehrend. Vom Seeben-See, vorbei an der Coburger Hütte, dem Drachensee und über den höchst gelegenen Pfad der Mieminger Kette, der 2272-Meter hohen Grünsteinscharte. Vorbei am Lehnberghaus, bei den Auers, bis zum Arzkasten von Bernadette Thaler. Der erste, der am Ende eines langen Weges wieder ein Lächeln im Gesicht zeigte, war der Neuner Hermann.

Mit Hirtenstab und Kamera

Hermann Neuner aus Fiecht begleitet seit vielen Jahren die Schafschoad von der Seeben Alm nach Untermieming. Heuer hatte er neben dem Hirtenstab noch eine Kamera im Rucksack, weil er im Auftrag von Mieming.online den schwersten Teil des Almabstiegs fotografierte. Michaela Maurer übernahm den Job oberhalb Arzkasten. Beiden haben wir zu verdanken, die Schafschoad von der warmen Stube daheim aus mitverfolgen zu können. Und die Fotos, die Hermann und Michaela mitgebracht haben, zeigen eindrucksvoll, welche Leistung hinter dem Kraftakt steckt.

In Rekordzeit ins Tal

„Ich glaube es lag am Schnee, der, für die Jahreszeit, mit über 20 Zentimeter schon sehr hoch war, dass wir so ein Tempo ‚drauf hatten“, sagte Dietmar Maurer, der gemeinsam mit Gerhard Wiggens, wie in den Vorjahren die Vorhut bildete. „Wir sind erst zwischen 11 und 12 Uhr Uhr aufgebrochen und waren schon um „7“ am Abend zuhause“. – „Wenn wir keinen Schnee gehabt hätten, wären wir im tiefen Boden eingesackt“, erzählte Didi Oberdanner.  Das der späte Aufbruch riskant war, sagt er uns dann am Rande des Protokolls. Am traditionellen Rastplatz, dem Vorberg der Familie Thaler vom Gasthaus Arzkasten bei Obsteig, wurden die Schafe mit einem Gebinde aus Fichtenzweigen, Blumen und Bändern geschmückt. „Kein Tier kam in diesem Almsommer zu Schaden“, sagte Gerhard Wiggens, der heuer einen guten Job gemacht hat. „Das ist meist vom Glück abhängig, denn unsere Schafe sind alpine Kletterer, die sich manchmal auf der Suche nach den höchsten Futterplätzen übernehmen und abstürzen“. Das kommt oft vor.

Ein Schafleben ist nicht leicht

Nach der Ankunft in Untermieming versammelten sich die Hirten, ihre Familien und Freunde im Gasthaus Stiegl. Die meisten. Die anderen waren gegenüber beim Neuwirt. Am Stammtisch wollten die Altvorderen alles genau wissen. Wie war das mit dem Schnee? Haben die älteren Lampelen mitgehalten? Kam es zu weiteren Überraschungen und so weiter. Kaum einer, der am Tisch saß, war noch nicht dabei gewesen. Die Tradition der „Schafschoad“ wird in Untermieming seit Jahrhunderten hoch gehalten. Der letzte Weg der Tiere in ihre Winterställe – nach der „Schafschoad“ – dem Trennen der Tiere, war recht vergnüglich. Die meisten wären in dieser Nacht allerdings am liebsten auf der kleinen Stiegl-Koppel geblieben. Ein Schafleben ist auch nicht leicht. Von den drei Monaten auf der Sommer-Alm mal abgesehen.

Fotos: Michaela Maurer / Hermann Neuner

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Knut Kuckel

Ich engagiere mich für Medienvielfalt und Qualität im Journalismus. In meinen Blogs schreibe ich u.a. auch über Begegnungen und persönliche Erlebnisse.

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